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Erstes internationales Forum zur Kommunikation chinesischer Kultur

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Am 24. und 25. August 2014 fand im Shangrila-Hotel in Qindao das erste International Communication Forum on Chinese Culture(首句中外出版翻译恳谈会) statt, organisiert von einer der größten internationalen Verlagsgruppe (Nr. 14 innerhalb der Top-50-Verlagsgruppen weltweit), der China Publishing Group (中国出版集团)zu der u. a. People’s Literature Publishing House, The Commercial Press, Zhonghua Book Company, Encyclopedia of China Publishing Hous, SDX Joint Publishing Company oder People’s Fine Arts Publishing House gehören), gemeinsam mit der Regierung der Stadt Qingdao. Laut Selbstbeschreibung werden von der Gruppe jährlich Copyright-Agreements über mehr als 1.000 Titel abgeschlossen. Zur Gruppe gehört auch die größte Buchimport/exportfirma, die 200.000 Titel pro Jahr importiert bzw. exportiert.

Zum International Communication Forum on Chinese Culture, gedacht als Vor-Event zur Buchmesse in Beijing, waren SinologInnen und ÜbersetzerInnen aus der ganzen Welt eingeladen – der bekannteste Name wahr wohl Wolfgang Kubin, der trotz oder wegen seiner sehr kritischen Haltung gegenüber chinesischer Literatur ein sehr hohes Ansehen in China genießt. Mit dabei waren aus Deutschland auch Helwig Schmidt-Glintzer, aus den USA Sabina Knight sowie LiteraturübersetzerInnen und SinologInnen aus Ungarn, Russland, Indien, Türkei, Korea, Italien, Ägypten und Brasilien. Ein Side-Event war ein Treffen von LiteraturagentInnen und VerlagsvertreterInnen, die z. T. Kooperationsverträge mit Verlagen der Gruppe abschlossen. Im Publikum (ca. 150 Personen) waren VertreterInnen der Verlage der Gruppe, aber angeblich auch andere Branchenvertreter.

Das Programm war extrem dicht und begann mit einer Begrüßung durch den Präsidenten von CPG und Politikern. Anschließend die üblichen Zeremonien, inklusive der Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags mit der Beijing Language & Culture University (was früher einmal mein Spracheninstitut war!).

Themen der Konferenz waren “The Internationalization of Publication and Communication fo Culture”, The Present and Future of Chinese Contemporary Literary Translation”, “The Interaction Between Chinese Contemporary Literature and the World” und “Literary Translation and Communication in the Multimedia Age”.

Am interessantesten waren die Beiträge von Kubin, Zhang Wei (张炜) und Bi Feiyu (毕飞宇). Im Unterschied zu den meisten anderen sprach Kubin nicht für die Sinologie- oder Verlagsszene eines Landes, sondern wurde inhaltlich. Er hinterfragte z. B. den Begriff des “Internationalen”, den China seiner Meinung nach immer in Hinblick auf die USA begreift und andere Kontinente auslässt. Er thematisierte auch die Frage des Verstehens: Nach welchen Standards wird chinesische Literatur verstanden? Verstehen ist kein Produkt, sondern ein Prozess, und China muss akzeptieren, dass es nicht die Deutungshoheit innehat, dass in anderen Gegenden der Welt von anderen als “chinesischen Standards” ausgegangen wird, es muss fremde Interpretationen akzeptieren – Ideen, die durchaus auf Resonanz stießen. Zhang Wei und Bi Feiyu äußerten sich kritisch insofern, als sie alle Versuche des “Hinausgehens” (走出去)als sinnlos erachten, solange die Literatur keine Geschichten erzählen kann, die stark genug sind, um eine globale Leserschaft zu fesseln. Bi Feiyu hielt auch die Fahne der Meinungsfreiheit hoch (auch die VerlagsvertreterInnen machten keinen Hehl daraus, dass ihnen die neue Schärfe der Zensur seit Xi Jinpings Amtsantritt das Leben sehr erschwert). Interessant waren aber auch Einblicke in die Sinologie anderer Länder wie Indien und Ägypten.

Erstaunlich war, dass – soweit ich es mitbekommen habe (am zweiten Tag fanden vier Sessions parallel statt) bei keinem der Themen die Frage der Digitalisierung von Büchern etc. aufgeworfen wurde . Eine italienische Übersetzerin und ich waren die einzigen, die Themen wie Crowdsourcing, kollaboratives Übersetzen, chinesische Online-Literatur etc. zur Sprache brachten.

Die Diskussionen – exzellent moderiert u. a. vom Vizepräsidenten der Verlagsgruppe Pan Kaixiong bzw. von Prof. Zhang Xiping (Beijing Foreign Studies University) – waren sehr offen und kritisch, ja, manchmal sogar ganz schön politisch unkorrekt.

Am 25. August wurde das “China Research Institute of Translation” (中国翻译研究中心)gelauncht und 12 chinesische und 12 ausländische BeraterInnen bestellt – ich bin eine davon. (Ironischerweise startete im Juli die China International Publishing Group die “China Academy of Translation”, 中国翻译研究院.) Das Institut setzt sich sechs Ziele: 1. Unterstützung von Forschung zu Translation und Sprache, Publikation und Kommunikation; 2. Heranbildung junger SinologInnen und literarischer ÜbersetzerInnen; 3. Plattform zur Übersetzung und Veröffentlichung chinesischer Kultur, um deren Strahlkraft zu vergrößern und ausländische Kulturen anzuziehen; 4. innovative Technologie (Internet, Big Data, Cloud), um relevante Ressourcen zur Verfügung zu stellen; 5. größtes multilinguale Repositorium von Übersetzungen und Bereitstellung von Big Data für die Übersetzungsindustrie; 6. Aufbau einer internationalen eCommerce-Plattform und einer offenen Plattform für die Ausbildung und Evaluierung von Übersetzern. (Bis jetzt gibt es allerdings noch nicht einmal eine simple Webseite zu dem Institut.) Was noch überhaupt nicht klar ist und auch nicht angesprochen wurde, ist die Frage, was von der Beratergruppe in den nächsten zwei Jahren erwartet wird.

Außerdem wurde der “Report on the Trends of Global Language Service Industry” präsentiert (mehr dazu in einem späteren Blogeintrag).

Im Anschluss an den Launch des Instituts fand ein “Translation Studio” statt, wo über die besten Strategien des Übersetzens und der Ausbildung (literarischer) Übersetzer diskutiert wurde. Es scheint sich inzwischen zumindest in akademischen Kreisen die Ansicht durchzusetzen, dass ein (literarischer) Übersetzer in seine Muttersprache übersetzen sollte, wobei aber auch die Wichtigkeit gemischter Teams (Chinesen + Ziel-Muttersprachler) betont wurde. Eine Vertreterin des Außenministeriums unterschied zwischen verschiedenen Textebenen und dementsprechend verschiedenen möglichen Übersetzern: objektive Daten (geografische Daten etc), Information + News, Entertainment, Literatur. Ihrer Meinung nach sei es nur bei Literatur notwendig, Muttersprachler einzusetzen – was nicht unwidersprochen blieb, vor allem auch in Hinblick auf die Sachrichtigkeit bei “Information + News”. Die besondere Rolle von Chinesen im Ausland mit fast-muttersprachlicher Kompetenz in der Fremdsprache wurde ebenfalls thematisiert.

Diese Konferenz ist ein Zeichen mehr dafür, dass es China mit seiner Strategie des Rausgehens und der kulturellen Ausbreitung immer ernster meint (allein die Konferenz – die bestens organisiert war – hat schon ein Vermögen gekostet: Reisekosten für die ausländischen Experten wurden voll übernommen, sämtliche Events wurden simultan gedolmetscht, dh an einem Tag waren vier Teams parallel im Einsatz!). Im privaten Gespräch mit Verlagsleuten wurde allerdings manchmal ein großes Unbehagen mit dieser forcierten Strategie des Hinausgehens der Regierung deutlich. Den Profis ist durchaus klar, dass ein Gutteil der chinesischen Bücher nicht für westliche Leser geeignet ist, dass es den chinesischen AutorInnen am globalen Weitblick fehlt, dass man ganz anders an die Entwicklung von Programmen herangehen müsste usw.

Es war jedenfalls spannend, China-Leute mit so diversem Background an einem Ort versammelt zu sehen – und gleich zwei der renommiertesten Sinologen dabei zu haben. Unglaublich, wie unterschiedlich die Sprachkompetenz ist: Die Sinologen der ersten Stunde sprechen kein oder nicht so besonders gutes Chinesisch, der Leiter des Konfuziusinstituts St. Petersburg spricht besser als der Durchschnittschinese, der Professor für sino-indische Beziehungen aus Delhi schreibt so schnell und schön wie ein Chinese und spricht auch fast so, ein anderer russischer Übersetzer ist fast unverständlich, die EuropäerInnen irgendwo mittendrin. Jedenfalls war das eine der wenigen Gelegenheiten, wo Chinesisch die Lingua Franca war und WestlerInnen miteinander meistens Chinesisch sprachen.


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